Textatelier
BLOG vom: 18.10.2005

Vogelgrippe: Himmelschreiende Entsorgung von Federvieh

Autor: Walter Hess

Was mich an der Vogelgrippe am meisten stört, ist der himmeltraurige Umgang mit Geflügel aller Art. Man sagt jeweils, diese unschuldigen Tiere müssten aus Gründen der Vorsorge „geschlachtet“ werden. In Tat und Wahrheit werden sie auf brutale Weise wie eine leblose Ware in Plastiksäcke gestopft, in Gruben geworfen, und manchmal wird noch etwas brennendes Material in die Massengräber fallen gelassen. Die Plastiksäcke schmelzen, ein paar Hühnchen schlüpfen durch die im schmelzenden Plastik entstandenen Öffnungen und versuchen, sich verzweifelt flatternd zu retten, erleiden unglaubliche Schmerzen, bis sie lebendigen Leibes von den Flammen versengt werden. Die anderen erleiden in Panik einen langsamen Erstickungstod.

Was sind das für Menschen, die mit Millionen von unschuldigen Tieren, die ohnehin zu menschlichen Zwecken missbraucht werden, so umgehen können! Ich will mich nicht auf eine ähnlich moralisch tiefe Stufe stellen und wünsche selbst denjenigen Personen, die solche Entsorgungsstrategien aushecken, nichts Schlechtes. Doch wenn sie von der Vogelgrippe befallen würden, wäre ich sehr geneigt, von ausgleichender Gerechtigkeit zu sprechen. Mein Bedauern mit ihnen hielte sich jedenfalls in denkbar engen Grenzen.

Seit Monaten wird eine Pandemie, wahrscheinlich zur Ankurbelung des Grippeimpfgeschäfts, förmlich herbeigeschnorrt. Die Medien haben nun ihr absatzförderndes Thema und kosten es aus, und die ebenfalls geschäftstüchtige Wissenschaft dankt für diese vorbereitende Stimmungsmache sehr. Da wäscht eine Hand die andere.

Verhältnismässigkeiten

Das Virus H5N1 sprang erstmals 1997 auf einen Menschen über, und die jüngste Vogelgrippewelle trat 2003 in Asien auf. Bis jetzt sind weltweit gerade einmal 60 Personen an der Vogelgrippe gestorben, etwa die Hälfte der Infizierten; ob das stimmt, weiss ich nicht – jedenfalls wird diese Zahl in den Medien herumgeboten. Wahrscheinlich ist sie eher an der oberen (aufgerundeten) Grenze. Diese betroffenen Leute tun mir Leid; sie hätten ein besseres Schicksal verdient. Aber dennoch ist das doch keine Grundlage dafür, eine Superepidemie, eben eine Pandemie, an die Wand zu malen.

Zum Vergleich: In der letzten normalen Grippesaison sind etwa 20 000 Deutsche an Grippe gestorben. Auch wenn ich solchen Zahlen mit grösster Vorsicht begegne (oft sind die Todesursachen ja multifaktoriell – viele Opfer sind meistens durch medizinische Behandlungen immungeschwächt), zeigt sie doch immerhin die Wahrnehmungsverzerrungen auf. Wieso redet denn eigentlich niemand davon, den Immunsystemen besser Sorge zu tragen, statt sie zunehmend zu irritieren.

Grundlagen der Panikmache

Das Vogelgrippevirus H5N1 ist via die Westtürkei (Kiziksa) dieser Tage angeblich bis nach Rumänien vorgedrungen und zwar ins Dorf Ceamurlia de Jos im Süden des Donaudeltas. Das kommt der künstlich inszenierten Panikmache sehr zustatten. Sie zeigt Früchte. Die Verängstigten in aller Welt stopfen ihre Hausapotheken mit Tamiflu und anderen unnützen Grippemitteln voll, und viele Ärzte und Apotheken freuen sich übers blühende Geschäft. Interessant wäre es zu erfahren, ob sich auch Ärzte, Apotheker und Pflegepersonal impfen lassen und wie hoch die Verweigerungsquote bei diesen Fachleuten ist. Doch darüber wird lieber nicht gesprochen. Das wäre geschäftsschädigend.

Kontraproduktive Stallpflicht

Gleichzeitig nimmt das grosse Geflügelvernichten in den von der Vogelgrippe betroffenen Ländern enorme Formen an. In der Schweiz sind bereits Stimmen mit wissenschaftlichem Tonfall zu vernehmen, man sollte das frei herumlaufende Geflügel wieder in die Ställe einsperren (Stallpflicht) – als Schutz vor den Zugvögeln (Nachtrag: ... was dann bald dauf geschah). Wahrscheinlich wird die nächste Forderung darauf abzielen, die Zugvögel abzuschiessen; die Jäger könnte man nach Italien in die Lehre schicken. Dort hat man darin Übung. Zudem haben ja auch wir Menschen uns in Zugvögel verwandelt.

Statt Tausende von Tieren in engen Riesenställen zusammenzupferchen, sollte man ihnen Auslauf geben – dann würden ihre Widerstandskräfte gestärkt. Die Massentierhaltung ihrerseits bringt zwangsläufig Seuchen hervor, die nur mit einem ständigen Medikamenteneinsatz (wie Antibiotika) einigermassen unter Kontrolle gehalten werden können. Aber irgendwann ist es mit dem Chemikalienzauber vorbei. Es bilden sich Resistenzen, und die robustesten und damit auch gefährlichsten Bakterien und Viren erhalten Oberhand. Diese werden förmlich herangezüchtet. Dann erzittert die Menschheit vor lauter Pandemieängsten.

In Labors werden alte Killerbakterien und -viren wiederbelebt, angeblich um Impfstoffe entwickeln zu können. Der US-Mikrobiologe Peter Palese hat vor wenigen Tagen in einem Labor der US-Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta den Erreger der Spanischen Grippe von 1918/19 aus Virenfragmenten von damals zu neuem Leben erweckt. Die so genannte Spanische Grippe soll bis zu 50 Millionen Menschen dahingerafft haben. Oft sind solche Forschungen mit einer unglaublichen Schlamperei verbunden, vor allem im rücksichtslosesten Land USA, wo überhaupt alles erlaubt ist, wenn es nur dem guten Geschäft hilft. Neue Virenarten entstehen übrigens auch bei gentechnischen Laborexperimenten.

Die mit dem Impfgeschäft einhergehenden Risiken sind vielseitig und enorm, und die Impfstoffe sind meistens gefährlicher als die Krankheiten, gegen die man sie loslässt. Die normale Grippeimpfung wirkt ja höchstens gegen spezifische Erreger, ist meistens unnütz und hilft schon gar nicht gegen die Vogelgrippe.

Kaputte Immunsysteme

Ein Musterbeispiel für Impfschäden sind die Impfungen von Kleinkindern gegen die normalen, das Immunsystem stärkenden Kinderkrankheiten, die in einer ausserordentlich empfindlichen Lebensphase zwar unterdrückt werden, aber Immunschwächen mit dem Paradebeispiel wie Allergien sind häufige Folgen. Und den alten Menschen über 65 Jahren, zu denen ich mich (69) zählen darf, wird empfohlen, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Die Impfpropagandisten können lange warten: Diesen Schabernack mache ich unter keinen Umständen mit, weil ich mein Alter in voller (und nicht in angeschlagener) Aktivität geniessen will. Und den Neuraminidasehemmer Tamiflu von Roche oder Relanza von GlaxoSmithKline) fresse ich schon gar nicht; da ist mir ein Pouletgeschnetzeltes von einem Freilandhuhn, das auf relativ anständige Art und Weise um sein glückliches Leben gebracht worden ist, wesentlich lieber. Man sieht: Ich lebe auch in Zeiten der Vogelgrippe-Pandemie-Hysterie unangepasst und werde das weiterhin so halten.

Bezeichnende Sprache

Die einzigen Lebewesen, die mir im ganzen Vogelgrippe-Getue sympathisch geblieben sind: die Hühner – und alles Federvieh überhaupt. Statt sie in Kehrichtsäcken und in Gruben „verenden“ zu lassen, sollte man ihnen, besonders auch wenn man sich von ihnen trennen muss, mit Anstand begegnen und ihre Würde respektieren. Das kann man nicht genug fordern. Denn aus der überheblichen menschlichen Sicht sterben Tiere nicht. Sie verenden. Sie krepieren (meistens mit menschlichem Zutun). Bereits der (un-)menschliche Sprachgebrauch deklariert sie zur wertlosen Ware.

Sämtliche Fernsehanstalten sind dringend aufgerufen, möglichst viel und in ständigen Wiederholungen ihrem dahindösenden Publikum detailgenau zu zeigen, wie diese Menschheit mit dem Geflügel umgeht, bis dieses Publikum erwacht und es nicht mehr aushält, bis es protestiert. Ich würde den TV-Stationen dann einen Teil des kindischen Nonsenses, die sie aufs Volk loszulassen pflegen, verzeihen. Das wäre gescheiter als eine Pandemie zu erfinden und die Behörden in einen blödsinnigen Zugzwang zu versetzen.

Wissenschaft und Behörden sollten sich besser mit dem Gesundheitszerfall der Menschen befassen. Bereiteten in den letzten Jahren des Ersten Weltkriegs Hunger und Unterernährung das Feld für eine wirkliche Pandemie (Spanische Grippe), so ist es heute die Fehlernährung mit Fabrikkost, welche zusammen mit Medikamenten die Immunsysteme zum Erliegen bringt. Aber darnach kräht kein Hahn.

Die Hähne mögen mir diese Redensart verzeihen. Ich wollte sie nicht beleidigen. Wahrscheinlich ist ihr Krähen bedeutungsvoller als wir annehmen.

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